Workshop: Gibt es eine Philosophie des Rechtsextremismus?
Untersucht man die Kommunikationsstrategien der „Neuen Rechten“, stößt man unweigerlich auf den Term „Philosophie“: Die Autor*innen der rechten Szene nehmen für sich die Philosophie in Anspruch, beziehen sich auf klassische und gegenwärtige Texte der Philosophie, aber auch auf randständige Autor*innen, die die „woke“ „universitäre Philosophie“ an den Rand gedrängt und vergessen habe (was nicht stimmt). Sie berufen sich auf Schriften der Gegenaufklärung sowie auf kulturpessimistische und rechtskonservative Denker*innen, die angeblich zu einer ganz eigenen Philosophietradition gehörten. Im Workshop „Gibt es eine Philosophie des Rechtsextremismus?“ sind wir der Frage nachgegangen, wie die Neue Rechte die Philosophie… ja was? …rezipiert? …adaptiert? …instrumentalisiert? … gar fortentwickelt?
Das Programm des Workshops, der am 28. und 29. November 2024 online per Zoom stattfand, gliederte sich in zwei Teile: Am 28. November haben wir uns gemeinsam mit aktuel-len Phänomenen „neurechter“ Akteur*innen aus dem deutschsprachigen Raum auseinandergesetzt und sind aus verschiedenen Blickwinkeln der Frage nachgegangen, auf welche philosophischen Themen, Disziplinen und Schulen sich rechte Akteur*innen beziehen. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, ob das Verhältnis einer sich intellektuell inszenierenden „Neuen Rechten“ zur Philosophie vielleicht rein strategischer Natur ist. Der zweite Tag des Workshops legte den Fokus auf internationale extrem rechte Phänomene sowie deren philosophische Bezüge, etwa (historische) Anleihen bei Philosoph*innen von Carl Schmitt bis Alexander Dugin. Auch hier stellte sich die Frage, ob es eine Philosophie der extremen Rechten gibt und wenn ja, in welchem Sinne.
Die Abschlussdiskussion befasste sich mit der Zukunft der Erforschung der Philosophie „der“ extremen Rechten. Dabei wurde den Fragen nachgegangen, ob man überhaupt von einer Philosophie der extremen Rechten sprechen kann, ob also extrem rechte Akteur*innen überhaupt philosophieren, wie dies untersucht werden kann und welche Fragen offenbleiben. Resümierend lässt sich festhalten, dass es zwar eine Philosophie über die extreme Rechte gibt, die Frage, inwieweit diese selbst eine Philosophie hat, jedoch ambivalenter bleibt und im Verlauf des Workshops unterschiedlich bewertet wurde. Zudem bleibt zu klären, wie mit den Paradoxien und Widersprüchen innerhalb der rechtsextremen Philosophie umzugehen ist. Ein weiterer Diskussionspunkt war die Frage, was die Philosophie zur Erforschung der extremen Rechten beitragen kann. Hier wurde vor allem überlegt, inwieweit die Beschäftigung mit der Philosophie der Zeit hilfreich sein könnte, um die Ewigkeitsbezüge und die religiösen bzw. mythischen Elemente in der Philosophie der extremen Rechten besser zu verstehen. Ein interdisziplinärer Ansatz wäre hier sicherlich hilfreich – während aber die Rechtsextremismusforschung ausdrücklich interdisziplinär ist, scheint es gerade die Philosophie zu sein, die den Blick auf andere Disziplinen weiten muss, um rezente Phänomene der extremen Rechten verstehen zu lernen.
Die sich daran anschließende Frage, wie die philosophische Auseinandersetzung mit den Schriften der extremen Rechten aus der Schmuddelecke „unserer Disziplin“ herausgeholt werden kann, war ebenfalls Gegenstand des Workshops. Hier wurde vorgeschlagen, den Erkenntnisgewinn und die Notwendigkeit der philosophischen Beschäftigung mit der extremen Rechten im eigenen Fach deutlicher herauszustellen. Man müsse die Substanz extrem rechten (philosophischen) Denkens ernst nehmen (ohne es rechtfertigen oder verteidigen zu wollen), um es verstehen und kritisieren zu können und um ihm eine andere Philosophie entgegensetzen zu können. Auch die Pluralität extrem rechten Denkens sollte berücksichtigt werden, um eine Differenzierung innerhalb der Ideologie zu ermöglichen.
Den ursprünglichen Call zum Workshop finden Sie (wird in neuem Tab geöffnet) . hier
VORLÄUFIGES PROGRAMM:
Tag 1: (28. November 2024)
- 9:15: Begrüßung
- 9:30 – 10:10: Peter Hofmann (Frankfurt a.M.): Zum Verhältnis von Theorie und Praxis in der Neuen Rechten. Rechte Philosophieaneignung im ‘Kulturkampf‘
- 10:15 – 10:55: Veronica Bezold, Philip Dietrich (Passau): Zwischen Pinterest-Lifestyle, NS-Mode und Heldenepos: Wie rechtsradikale Influencer*innen die Philosophie der Ästhetik für ihre Zwecke nutzen
- 11:00 – 11:40: Sebastian Johannes Jaschke (Darmstadt): Philosophische Rechtfertigungen von Verschwörungsglauben. Gibt es eine rechte Philosophie der Verschwörungstheorien?
- 11:40 – 11:50 Pause
- 11:50 – 12:30: Oliver Honer (Sersheim): Rechter Boomer-Humor, AfD-Kitsch und KI-generierter Nationalpathos. Eine Analyse politischer Mythen der ‚Deskralisation‘ und ‚Sakralisation‘
- 12:35 – 13:15: Lasse Monske (Berlin), Paul Obermeyer (IPU Berlin): Ironie, Hohn und Subversion. Selbstinszenierungen der Neuen Rechten als politische Theoretiker:innen und Philosoph:innen
- 13:15 – 14:00 Mittagspause
- 14:00 – 14:40: Haziran Zeller (Kiel): Radikaler Realismus. Gedanken zur Philosophizität des rechten und rechtsextremen Denkens
- 14:45 – 15:25: Nick Nestler, Katharina Möbius, Tim-David Zenglein (Mainz/Marburg): „KI ist Macht“ Neuste Onlinestrategien der extremen Rechten
- 15:30 – 16:10: Tobias Wallmeyer: “Good Times Create Weak Men, Weak Men Create Hard Times” – Die Rechtsradikale Diagnose der Dekadenz als (Gegenstand und Herausforderung für die kritische) Sozialphilosophie
Tag 2: (29. November 2024)
- 9:15 Begrüßung Tag II
- 9:20 – 10:00: Laila Riedmiller (Erlangen-Nürnberg): Rechtsterroristische Zeitlichkeitsvorstellungen oder: Beschleunigung als politische Strategie?
- 10:05 – 10:45: Margaretha Steinhaus, Janine Hagemeister (Frankfurt a.M.): Transhumanismus als rechte Philosophie?
- 10:45 – 10:50: Pause
- 10:50 Welcome to our English-speaking colleagues
- 11:00 – 11:40: Moritz Pitscheider (Chemnitz): On the Philosophy of History in Fascism
- 11:45 – 12:25 Moritz Maurer (Heidelberg): National Socialism and Occultism. Julius Evola in the German Eye 1920-1945
- 12:30 – 13:10: Peli Meir (Haifa): Extreme Right Political-Philosophical Underpinning: The Political as Zoological Organism
- 13:10 – 13:50 Mittagspause
- 13:50 – 14:30: Christian Demmelbauer (Wien): Communitarianism and the identitarian critique of liberalism
- 14:35 – 15:15: Christophe Majastre (Brussels): Making far-right philosophy popular? Gerd-Klaus Kaltenbrunner and the 1970’s Tendenzwende
- 15 min Pause
- 15:30 – 16:10: Thomas Charrayre (Paris): Philosophical roots of the radical right: Do we need to look outside the canon?
- 16:15 – 16:55: Elad Magomedov (Leuven): Alexander Dugin’s Postmodern Archaism
- 17:00 Closing Panel: Future investigations of right-wing (extremist) philosophy [max 30 minutes]